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Demokratie und Aktion

70 Jahre Verkündung der Menschenrechte - Aktion von Amnesty International in Pforzheim

Bild: Andreas Quincke am Pforzheimer Leopoldplatz bei seiner Rede am 70. Jahrestag der Verkündung der Menschenrechte

Andreas Quincke am Pforzheimer Leopoldplatz bei seiner Rede am 70. Jahrestag der Verkündung der Menschenrechte

Am Infostand auf dem Pforzheimer Leopoldplatz hielt Andreas Quincke, Krankenhauspfarrer, Notfallseelsorger und aktiv auch für die Abschiebehäftlinge in der JVA Pforzheim, am 10.12. 2018 eine interessante Rede, (im Anhang) um die Bedeutung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zu unterstreichen .

Dabei wurde auch auf das Pforzheimer Abschiebegefängnis eingegangen, indem aktuell ca. 35 Migranten zur Abschiebung einsitzen müssen, ohne eine Möglichkeit, dagegen juristisch vorzugehen. Geplant sei die Ausweitung auf rund 80 Plätze, darunter auch Frauen und Kinder. In einem kurzen Statement , das Bernd Hotter vorlas, hatte der Pforzheimer OB Peter Boch darauf hingewiesen, dass er bei seinem Amtseid auch geschworen habe, sich auch für die Menschenrechte einzusetzen. Bernd Hotter, auch Sprecher von Amnesty International Pforzheim, bezeichnete die Verkündung der Menschenrechte als „ein Geschenk an die Menschheit".

Einen unschönen Zwischenfall gab es am Rande als eine aufgebrachte, ältere Frau versuchte, die Veranstaltung zu stören, um gegen Flüchtlinge zu polemisieren.
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Rede von Andreas Quincke am 70. Jahrestag der Verkündung der Menschenrechte:

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde am 10.Dezember 1948 vor 70 Jahren von der Generalversammlung der Vereinten Nationen (im Palais de Chaillot ) in Paris verkündet.
Sie ist kein verbindliches Recht, kein Völkerrecht, sondern enthält unverbindliche Empfehlungen der Vereinten Nationen zu den allgemeinen Grundsätzen der Menschenrechte.
Einige Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wurden jedoch in den beiden internationalen Pakten über Bürgerliche und Politische Rechte („Zivilpakt", BPR) sowie über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte („Sozialpakt", WSKR)
übernommen, die 1976 in Kraft getreten sind und den Rang von bindenden internationalen Abkommen erhalten haben.
(Wesentlichen Verfasser waren u.a. der kanadische Jurist John Peters Humphrey, der libanesische Politiker und Philosoph Charles Malik, der französische Jurist René Cassin, der chinesische Philosoph Peng-chun Chang, Eleanor Roosevelt, die Witwe des vormaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, sowie Jacques Maritain, ein französischer Philosoph.)
Eine der wichtigen Mitverfasser damals war die Frau des amerikanischen Präsidenten Roosevelt. Sie hätte gerne gehabt, dass die Charta rechtlich verbindlich für alle wird - aber sie musste leider den Plan eines völkerrechtlich bindenden Menschenrechtspaktes aufgeben und sich angesichts der sich stetig verhärtenden Fronten entschließen, mehrstufig vorzugehen. Die Einigung auf die rechtlich bindende Form eines völkerrechtlichen Vertrages wurde auf später verschoben, denn dieser schien zu diesem Zeitpunkt aus verschiedenen Gründen nicht machbar. Was man aber zunächst erreichen wollte, war eine Definition des zu schützenden Bestandes an Menschenrechten, um so eine universale Rechtsauffassung zum Ausdruck zu bringen.[12]
Am 10. Dezember 1948 wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte mit 48 Ja-Stimmen, 0 Gegenstimmen und 8 Enthaltungen verabschiedet. Die Enthaltungen kamen von der Sowjetunion, der Ukraine, Weißrussland, Polen, der ČSSR, Jugoslawien, Saudi-Arabien und Südafrika.

Ich nenne hier mal ein paar wesentliche Aussagen der grundlegenden Menschenrechte:

Wesentliche Aussagen der Grundrechte
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten (Art 1)
> Für uns in Deutschland klingt das selbstverständlich - für viele der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es das überhaupt nicht, wenn sie z.B. verfolgt werden, weil sie Christen geworden sind, oder weil sie homosexuell sind. Wenn sie nun auch bei uns angefeindet werden oder sogar in der Abschiebehaft landen, ohne etwas unrechtmäßiges getan zu haben, ist das für sie schlimm.

Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person (Art 2)
> In vielen Ländern heißt es: Wenn Du Dich nicht unseren Regeln der Gesellschaft oder der Familie unterordnest, hast Du kein Recht mehr zu leben. Schwer vorstellbar für uns. Diese Menschen suchen bei uns erstmal nichts anderes als Sicherheit um zu überleben.

Jeder hat Anspruch auf einen wirksamen Rechtsbehelf (Art 8)
> Die Mehrheit der Flüchtlinge hat keine rechtliche Unterstützung.

Niemand darf willkürlich festgenommen, in Haft gehalten oder des Landes verwiesen werden (Art 9)
> Über 50 % der Inhaftierungen in der Abschiebehaft sind ungesetzlich. Das ist beschämend für einen Rechtsstaat wie Deutschland.

Niemand darf willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben ausgesetzt werden (Art 12)
> Viele Flüchtlinge, die nicht anerkannt wurden, werden nachts überfallartig ohne Ankündigung von der Polizei abgeholt und abgeschoben. Oft ist dieses Vorgehen völlig überzogen.

Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen
und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen (Art 13)
Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen (Art 14)
> Ich fürchte, diese beiden Grundrechte würden viele in Deutschland und in anderen reichen Ländern mittlerweile sehr in Frage stellen.
Das stimmt sehr nachdenklich.

Heiratsfähige Männer und Frauen haben das Recht, zu heiraten und eine Familie zu gründen (Art 16)
> Meine Kollegen in der Abschiebehaftberatung - und Seelsorge erleben leider häufig, wie extrem schwer es ist, dieses Recht zu bekommen.

Jeder hat das Recht auf Gedanken-, Gewissen- und Religionsfreiheit ... und die Freiheit, seine Religion oder seine Weltanschauung zu wechseln (Art 18)
> Insbesondere der Religionswechsel führt auch in den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten oft zur Verfolgung. Selbst wenn der Staat einen Religionswechsel offiziell legitimiert - in der Praxis sieht es oft ganz anders aus.

Jeder hat das Recht auf Arbeit (23)
Jeder hat das Recht auf Bildung (26)
> Die große Mehrheit der Flüchtlinge will arbeiten und unsere Sprache lernen.

Soviel zu den konkreten Grundrechten von Menschen.
Heute ist der sog Migrationspakt von mehr als 150 Staaten angenommen worden. Gottseidank.
Die Ausarbeitung eines solchen Migrationspaktes wurde vor 2 Jahren in der sog. New Yorker Erklärung zu Flüchtlingen und Migranten von der UNO beschlossen - weil alle gesehen haben und sehen: Es muss etwas geschehen.
Die New Yorker Erklärung wiederum fusst auf der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948.
In der sehr lesenswerten Präambel zum jetzt beschlossenen Migrationspakt heißt es:
„Dieser Globale Pakt ist das Ergebnis einer beispiellosen Überprüfung von Fakten und Daten, die im Rahmen eines offenen, transparenten und inklusiven Prozesses gesammelt wurden. Wir haben uns über unsere jeweiligen Realitäten ausgetauscht und eine Vielfalt von Stimmen gehört, die unser gemeinsames Verständnis dieses komplexen Phänomens bereichert und geprägt haben. Wir haben gelernt, dass Migration ein bestimmendes Merkmal unserer globalisierten Welt ist, Gesellschaften innerhalb aller Regionen und über sie hinaus verbindet und alle unsere Län- der zu Herkunfts-, Transit- und Zielländern macht".(Präambel 10)
Und weiter heißt es: „Mit dem Globalen Pakt wird anerkannt, dass eine sichere, geordnete und reguläre Migration dann für alle funktioniert, wenn sie auf der Basis von guter Information, Planung und Konsens stattfindet. Migration sollte nie ein Akt der Verzweiflung sein. Ist sie es dennoch, müssen wir zusammenarbeiten, um den Bedürfnissen von Migranten in prekären Situationen Rechnung zu tragen, und die jeweiligen Herausforderungen angehen.
In gemeinsamer Arbeit müssen wir die Bedingungen schaffen, die es den Gemeinschaften und den einzelnen Menschen ermöglichen, in ihren eigenen Ländern in Sicherheit und Würde zu leben". (Präambel 13)
Ich kann nur allen empfehlen, die es noch nicht getan haben:
Lesen Sie einmal den Wortlaut des Migrationspaktes!
Dann werden Sie feststellen: Da wird genau hingeschaut, nichts unter den Teppich gekehrt, sondern sehr genaue Ziele formuliert, die helfen können, dass unsere Welt, in der Mittlerweile gut 250 Millionen Menschen ständig in der Migration sind, und 80 Millionen auf der Flucht, menschlicher und damit friedlicher wird.
Jeder, der behauptet, hier werde jemand oder ein Land zu etwas gezwungen, hat nicht verstanden, worum es geht.
Jeder kann freiwillig die gemeinsam entwickelten Ziele unterstützen - oder es lassen. 28 Länder, darunter die USA, Österreich und Ungarn, lehnen den Migrationspakt ab.
Ich bin stolz darauf, dass unser Bundestag dem Pakt vor kurzem zugestimmt hat. Bundeskanzlerin Merkel hat völlig zu Recht den Migrationspakt als einen „Meilenstein im Kampf gegen illegale Migration und Schleuserkriminalität" bezeichnet.
Noch ist dieser Pakt nicht völkerrechtlich bindend. Ob das jemals gelingen wird?
Es wäre ein gutes Ziel, denn es ist klar:
Nur im Rahmen der UNO, da, wo alle Länder zusammen an einem Strang ziehen wollen, ist es möglich, für eine menschenwürdige Migration und damit für Frieden zu kämpfen.
Nationale Alleingänge mögen dem jeweiligen Land nutzen - dem Weltfrieden und insbesondere der Not und dem Leid der vielen Millionen Menschen, die unter Unrecht und Gewalt leiden müssen, helfen sie überhaupt nicht.
Zur Zeit leben wir wieder in der Adventszeit. Wir warten auf das Kommen von Gottes Sohn, dem Friedefürst, wie er auch genannt wird.
Gebe Gott, dass wir seinen Frieden und seine Gerechtigkeit inmitten unseres Konsums hier niemals vergessen.
„Wir sollen Gott lieben von ganzem Herzen und unseren Nächsten und unsere Nächste wie uns selbst". Das ist die Zusammenfassung aller Gebote hat Jesus gesagt.
Für mich ist dieses Gebot Jesu auch die Zusammenfassung der grundlegenden Menschenrechte.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

12.12.2018

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